Referentenentwurf des BMAS liegt vor
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat nun den erwarteten Referentenentwurf zur Neufassung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG-E) bezüglich der Arbeitszeiterfassung vorgelegt, wodurch die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur bereits jetzt verpflichtenden Arbeitszeiterfassung konkretisiert werden sollten.
Über den vielbeachteten Beschluss des BAG vom 13. September 2022 haben wir in unseren Blog-Beiträgen vom 23. September 2022 und vom 12. Dezember 2022 bereits berichtet.
Inhalt des Referentenentwurfs – Umsetzung der Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung
Änderungen und Ergänzungen betreffen im Wesentlichen die Regelungen des § 16 Arbeitszeitgesetz.
Von besonderer Relevanz sind vor allem folgende angedachte Änderungen:
- Der Arbeitgeber wird zur Erfassung (elektronisch) von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer verpflichtet, wobei die Erfassung bereits am Ende eines Arbeitstages erfolgen muss. Hiervon kann in Anlehnung an § 17 Abs. 1 Mindestlohngesetz, welcher dem Arbeitgeber sieben Tage zur Erfassung einräumt, durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgewichen werden.
- Die Zeiterfassung hat elektronisch zu erfolgen, wobei im Referentenentwurf nicht genauer ausgeführt wird, was davon erfasst sein soll. Neben üblichen Zeiterfassungsgeräten und Programmen, soll wohl auch eine Erfassung durch entsprechende Apps oder mit Hilfe einer Excel-Tabelle möglich sein.
- Von der elektronischen Erfassung der Arbeitszeiten kann ein Arbeitgeber ebenfalls durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abweichen.
- Der Arbeitgeber kann die Aufzeichnung der Arbeitszeiten selbst vornehmen oder diese Aufgabe an Mitarbeitende oder Dritte (z.B. Vorgesetzte, Entleiher) delegieren. Er bleibt jedoch in jedem Fall für die ordnungsgemäße Umsetzung der Aufzeichnungspflicht verantwortlich.
- Vertrauensarbeitszeit im Sinne eines selbstbestimmten Arbeitens mit freier Zeiteinteilung ist weiterhin möglich, vorausgesetzt die tägliche Arbeitszeit wird zudem erfasst. Die „reine“ Vertrauensarbeitszeit, bei welcher die Arbeitszeit weder erfasst noch kontrolliert wurde, ist hingegen unzulässig.
- Durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann geregelt werden, dass die Aufzeichnungspflicht für Mitarbeitende „bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann“, nicht gilt. Darunter würden laut Begründung des Referentenentwurfs z.B. Führungskräfte, herausgehobene Experten oder Wissenschaftler fallen.
- Der Arbeitgeber hat die Mitarbeitenden jeweils auf deren Verlangen über die aufgezeichneten Arbeitszeiten zu informieren und ihnen eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen, was sich bereits aus Art. 15 DS-GVO ergibt. Es wird jedoch genügen, wenn die Mitarbeitenden die sie betreffenden elektronischen Aufzeichnungen selbst einsehen und hiervon Kopien fertigen können.
- Die Aufzeichnungen müssen für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der Mitarbeitenden, jedoch mindestens für zwei Jahre in deutscher Sprache aufbewahrt werden.
Ausnahmeregelungen und Übergangszeitraum
Laut dem Referentenentwurf soll es je nach Betriebsgröße gestaffelte Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen für die Pflicht zu Umsetzung der elektronischen Zeiterfassung geben.
So ist grundsätzlich eine Übergangszeit von einem Jahr ab Inkrafttreten des Gesetzes geplant, in welcher die Arbeitszeiterfassung noch händisch in Papierform erfolgen kann. Betrieben mit weniger als 250 Mitarbeitenden werden hingegen zwei Jahre Zeit gewährt und bei Betrieben mit unter 50 Mitarbeitenden sind es sogar fünf Jahre.
Gänzlich auf die Aufzeichnung in elektronischer Form verzichten können Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitenden, ausländische Arbeitgeber ohne Betriebsstätte im Inland, wenn sie bis zu zehn Mitarbeitende nach Deutschland entsenden sowie Privathaushalte, die Hausangestellte beschäftigen. Unklar bleibt jedoch, ob für die Beschäftigtenzahlen auf das Unternehmen oder den Betrieb abzustellen sein wird.
Bußgeld bei Nichtbeachtung
Verstöße gegen die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung und die Informationspflichten sollen zukünftig als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden können. Als Ordnungswidrigkeit kann etwa eine vorsätzliche oder auch fahrlässige Fehldokumentation über die Arbeitszeit, die nicht rechtzeitige Erstellung der Zeiterfassung sowie eine zu kurze Aufbewahrung jener angesehen werden.
Fazit
Der Referentenentwurf löst einige Unsicherheiten bezüglich der Umsetzung des BAG-Urteils auf – vor allem, inwiefern und ab wann die Arbeitszeiterfassung elektronisch zu erfolgen hat. Leider wurde die Möglichkeit, das Arbeitszeitrecht zu modernisieren und es an die sich seit der Corona-Pandemie verändernde Arbeitswelt anzupassen, nicht genutzt. Auch wurde die Frage, ob leitende Angestellte und z.B. GmbH-Geschäftsführer von der Arbeitszeiterfassung betroffen sind, nicht eindeutig geklärt.
Es bleibt abzuwarten, wie der Referentenentwurf in dem nun folgenden Gesetzgebungsverfahren aufgenommen und gegebenenfalls noch angepasst, geändert oder ergänzt wird. Es ist daher zu empfehlen, die Entwicklung weiterhin aufmerksam zu verfolgen und sich zumindest schon einmal mit den Möglichkeiten der elektronischen Zeiterfassung auseinanderzusetzen. Wir werden Sie diesbezüglich selbstverständlich auf dem Laufenden halten.
Carsten Brachmann
Rechtsanwalt I Fachanwalt für Arbeitsrecht I Partner
Alina Jung
Rechtsanwältin
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