Das Thema
In unserem Blogbeitrag New Work – Abgrenzung Homeoffice vs. mobiles Arbeiten vom 22. August 2022 hatten wir uns mit der Abgrenzung von mobilem Arbeiten und Homeoffice beschäftigt. Wie dort bereits angekündigt, bestehen bei der Einführung dieser flexiblen Arbeitsformen weitere Besonderheiten, wenn ein Betriebsrat im Unternehmen besteht. Ist dies der Fall, sind dessen Beteiligungsrechte und insbesondere dessen Mitbestimmungsrechte zu beachten. Dies erschwert in der Praxis die Einführung flexibler Arbeitsformen, da hierdurch erhebliches Konfliktpotenzial entsteht. So sieht sich ein Arbeitgeber, der mobiles Arbeiten/Homeoffice einführen will, z.B. oftmals mit erhöhten Forderungen der Betriebsräte zum Arbeitsschutz oder zum Kostenersatz konfrontiert.
Der folgende Artikel soll einen Überblick über die wesentlichen Beteiligungs- und vor allem die (erzwingbaren) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Sinne des § 87 BetrVG beim mobilen Arbeiten bzw. Homeoffice geben. Auch auf das aktuelle Urteil des BAG zur Arbeitszeiterfassung und das diesbezügliche Verhältnis zur Mitbestimmung soll nachfolgend kurz eingegangen werden (vgl. dazu ausführlich den Beitrag fellaws Focus Arbeitszeiterfassung BAG-Beschluss vom 23. September 2022).
Mitbestimmungsfreies „Ob“ beim mobilen Arbeiten/Homeoffice
Im Zusammenhang mit mobilem Arbeiten und Homeoffice (iSv Telearbeit) sind Beteiligungs- und insbesondere Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Dabei unterliegt die Frage, ob mobiles Arbeiten/Homeoffice eingeführt wird, nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates. Hierüber kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei entscheiden. Der Betriebsrat hat insoweit auch kein Initiativrecht. Er hat lediglich die Möglichkeit, gem. § 92 a BetrVG Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung und damit auch zur Einführung von flexiblen Arbeitsformen zu machen. In der Planungsphase steht dem Betriebsrat darüber hinaus gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG ein allgemeiner Unterrichtungsanspruch sowie ein Informations- und Beratungsrecht nach § 90 BetrVG zu.
Lediglich der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die spätere Versetzung des einzelnen Mitarbeiters ins Homeoffice (und ggf. im Einzelfall auch ins mobile Arbeiten) eine zustimmungspflichtige Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG darstellt. Des Weiteren kann die Einführung von mobilem Arbeiten/Homeoffice, je nach Ausgestaltung, z.B. im Zusammenhang mit der Einführung von Desk Sharing, auch eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG darstellen. Der Fokus dieses Artikels soll sich aber nachfolgend auf die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG richten.
Mitbestimmungspflichtiges „Wie“ beim mobilen Arbeiten/Homeoffice
Bei der Ausgestaltung von mobilem Arbeiten und Homeoffice (des „Wie“), kommen im Gegensatz zum „Ob“ verschiedene Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Betracht. Dies bedeutet, dass die Ausgestaltung dieser flexiblen Arbeitsformen der Zustimmung des Betriebsrates bedarf.
Zunächst ist der extra für mobiles Arbeiten durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz[1] eingeführte § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG zu nennen. Dieser ist als Auffangtatbestand ausgestaltet und ergänzt die beim mobilen Arbeiten/Homeoffice für Teilbereiche bereits bestehenden anderen Mitbestimmungstatbestände. So können z.B. Verhaltens- und Sicherheitsvorgaben im Zusammenhang mit mobilem Arbeiten/Homeoffice nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, Arbeitszeitfragen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und die Einführung oder Änderung von Informationstechnologien im Zusammenhang mit mobilem Arbeiten/Homeoffice nach § 87 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig sein. Die Mitbestimmungsrechte greifen nur, soweit mehrere Mitarbeite betroffen sind (nicht in Einzelfällen) und sofern keine gesetzlichen oder tariflichen Regelungen bestehen.
Nach wie vor mitbestimmungspflichtig bleibt auch die Ausgestaltung/Form einer Arbeitszeiterfassung im Zusammenhang mit mobilem Arbeiten/Homeoffice. Zwar hat das BAG in seinem aktuellen Beschluss zur Zeiterfassung vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21 klargestellt, dass eine gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung (die auch für mobiles Arbeiten/Homeoffice gilt) aus § 3 Abs. 1 ArbSchG besteht und dass daher für die Mitbestimmung des Betriebsrats hinsichtlich des „Ob“ bei der Einführung der Zeiterfassung kein Raum bleibt. Nicht gesetzlich geregelt ist aber das „Wie“ der Zeiterfassung. Somit haben Arbeitgeber zu beachten, dass für die Ausgestaltung und damit auch für die Form der Zeiterfassung, auch im Zusammenhang mit mobilem Arbeiten/Homeoffice, weiterhin Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestehen. Diese können sich, abhängig vom konkreten Fall, z.B. aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 7, Nr. 6, Nr. 2 oder Nr. 1 BetrVG ergeben (siehe zur Thematik näher fellaws Focus Arbeitszeiterfassung BAG-Beschluss vom 23. September 2022).
Mittelbare Einflussnahme des Betriebsrats über das „Wie“ auf das „Ob“
Auch wenn ein (erzwingbares) Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates hinsichtlich des „Ob“ der Einführung flexibler Arbeitsformen (s.o.) nicht vorliegt, kann der Betriebsrat über die (erzwingbaren) Mitbestimmungsrechte beim „Wie“, so z.B. gemäß § 87 I Nr. 14 BetrVG (siehe dazu sogleich näher) „indirekt“ Einfluss auf die grundlegende Entscheidung des Arbeitgebers darüber gewinnen, „ob“ im Betrieb mobil gearbeitet werden darf. Hier besteht erhebliches Konfliktpotenzial durch den Betriebsrat, welches im Ergebnis dazu führen kann, dass sich der Arbeitgeber zur Verhinderung der Mitbestimmung beim „Wie“ gegen das „Ob“ der Einführung flexibler Arbeitsformen entscheidet. Im Weiteren soll exemplarisch der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG näher betrachtet werden.
Mobile Arbeit iSd § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit, die mittels Kommunikationstechnik erbracht wird, mitzubestimmen.
Mitbestimmungspflichtige “mobile Arbeit” in diesem Sinne liegt vor, wenn der Arbeitnehmer[2] seine Arbeitsleistung außerhalb einer vom Arbeitgeber eingerichteten Betriebsstätte erbringt. Darunter fallen beide in unserem Blogbeitrag New Work – Abgrenzung Homeoffice vs. mobiles Arbeiten beschriebenen Formen flexiblen Arbeitens: Sowohl die Arbeit im „Homeoffice“ (im Sinne von Telearbeit) als auch das „mobile Arbeiten“, d.h. die Arbeit an jedem vom Arbeitnehmer frei wählbaren auswärtigen Ort außerhalb der ersten Arbeitsstätte (z.B. im Hotel, Zug, Flugzeug oder auch in der Wohnung des Arbeitnehmers) ist erfasst.
Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich ausdrücklich nur auf mobile Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik jedenfalls auch digitalisiert erbracht wird. Eine Arbeitsleistung, die zwar mobil aber nicht digitalisiert erbracht wird,
ist keine mobile Arbeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG. Auch Arbeitsformen, bei denen die Mobilität Teil der geschuldeten Arbeitsleistung ist (z.B. Fahrer, Boten oder Außendienstmitarbeiter) unterfallen nicht dem Begriff der mobilen Arbeit.
Reichweite des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG
Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich nur auf die Ausgestaltung “mobiler Arbeit”. Arbeitgeber und Betriebsrat entscheiden ausweislich der Gesetzesbegründung gemeinsam beispielsweise über
- den zeitlichen Umfang mobiler Arbeit (wobei die Festlegung des Anteils mobiler Arbeit am Gesamtdeputat des Arbeitnehmers das mitbestimmungsfreie „Ob“ mobiler Arbeit berührt; mitbestimmungspflichtig ist dagegen die Lage der Zeitblöcke (mobil/ortsgebunden), also deren Verteilung auf bestimmte Wochentage, Wochen, Monate etc.),
- die Ausgestaltung des mobilen Arbeitsplatzes,
- den Ort, von welchem mobil gearbeitet werden kann bzw. darf (z.B., dass nicht in Parks/Cafés mit unsicheren Netzwerken gearbeitet werden darf),
- Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte des Arbeitgebers,
- die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsort,
- den Umgang mit Arbeitsmitteln und
- einzuhaltende Sicherheitsaspekte.
Da in der Gesetzesbegründung zu § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG jeglicher Hinweis darauf fehlt, dass auch die Kostenfrage von diesem Tatbestand mitumfasst sein soll, erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG nach richtiger Ansicht nicht auf die Frage, ob der Arbeitgeber Aufwendungsersatz nach § 670 BGB für Arbeitsmittel bzw. die Einrichtung des Arbeitsplatzes analog leisten muss. Diesbezüglich können allenfalls individualrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer bestehen, jedoch nur, wenn die Interessen des Arbeitgebers an den getätigten Aufwendungen überwiegen, so z.B. wenn der Arbeitgeber Homeoffice zur Einsparung von Arbeitsräumen oder Betriebsmitteln einführt. Die Leistung von Aufwendungsersatz unterliegt auch nicht dem Mitbestimmungstatbestand des § 87 I Nr. 10 BetrVG, da (bloßer) Aufwendungsersatz kein (mitbestimmungspflichtiges) Arbeitsentgelt darstellt (vgl. BAG, Urteil v. 27. Oktober 1998 – 1 ABR 3/98).
Zwar kann der Betriebsrat somit, was nicht ganz unumstritten ist, den Aufwendungsersatz nicht erzwingen. Er kann aber diesen Punkt zur Blockade bei anderen (mitbestimmungspflichtigen) Regelungen nutzen.
Initiativrecht des Betriebsrates bei der Ausgestaltung
Der Betriebsrat hat, in Bezug auf die Umsetzung/Ausgestaltung mobiler Arbeit ein Initiativrecht. Das bedeutet, wenn der Arbeitgeber einmal entschieden hat, dass Arbeitnehmer mobil arbeiten sollen oder dürfen, dass der Betriebsrat nicht abwarten muss, bis der Arbeitgeber auf ihn zukommt, um das “Wie” der mobilen Arbeit in einer Betriebsvereinbarung zu regeln.
Der Arbeitgeber, der mobiles Arbeiten/Homeoffice einführt, sollte daher darauf achten, dass die Initiative für den Abschluss einer ausgestaltenden Betriebsvereinbarung von ihm ausgeht, damit er nicht gegen seinen Willen bereits zu Beginn der Verhandlungen mit umfänglichen und kostenintensiven Forderungen des Betriebsrats, z.B. in Bezug auf Arbeitsschutz oder Datenschutz konfrontiert wird, von denen er später nur noch schwer runterkommt.
Einigungsstelle im Falle des Scheiterns der Verhandlungen
Besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, bedarf es, anders als bei bloßen Beteiligungs- oder Informationsrechten, zwingend der Zustimmung des Betriebsrats zu der betreffenden Regelung. Werden sich die Betriebsparteien über die Ausgestaltung mobiler Arbeit nicht einig und erklärt eine Partei das Scheitern der Verhandlungen können die Betriebsparteien die Einigungsstelle anrufen. Eine Regelung kann durch einen Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden. Der Spruch der Einigungsstelle (der dort gefundene Kompromiss also), tritt an die Stelle der im Betrieb nicht erzielten Einigung und hat denselben Stellenwert wie eine Betriebsvereinbarung.
Folgen einer Missachtung des Mitbestimmungsrechts durch den Arbeitgeber
Wenn der Arbeitgeber, ohne sich zuvor mit dem Betriebsrat auf das “Wie” geeinigt zu haben, Arbeitnehmer mobil arbeiten lässt, verletzt der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats.
Dem Betriebsrat steht bei einer drohenden Verletzung seines Mitbestimmungsrechts ein Unterlassungsanspruch zu, den er ggf. auch gerichtlich durchsetzen kann. Er kann vom Arbeitgeber verlangen, Arbeitnehmer so lange nicht mobil arbeiten zu lassen, bis sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Ausgestaltung der mobilen Arbeit geeinigt haben oder die Einigung durch die Einigungsstelle ersetzt wird.
fellaws Hinweis
Will der Arbeitnehmer mobile Arbeit/Homeoffice im Betrieb einführen, sollte er, auch wenn das „Ob“ der Einführung mitbestimmungsfrei ist, den Betriebsrat in der Planungsphase frühzeitig einbinden. Dies, um zu verhindern, dass der Betriebsrat wegen einer nicht erfolgten Mitbestimmung beim „Wie“, d.h. bei der Umsetzung/Ausgestaltung die Einführung mobilen Arbeitens/Homeoffice (mittelbar) blockieren kann. Zudem sollte der Arbeitgeber darauf achten, auch die Organisationshoheit über die Ausgestaltung zu behalten. Möchte der Arbeitgeber mobiles Arbeiten/Homeoffice einführen sollte er daher initiativ mit seinem Vorschlag zur näheren Ausgestaltung auf den Betriebsrat zugehen.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Ausgestaltung einer Betriebsvereinbarung und den Verhandlungen mit dem Betriebsrat.
Dr. Anja Branz
Rechtsanwältin I Fachanwältin für Arbeitsrecht
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[1] Eingeführt durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz (BRModG)vom 14.6.2021.
[2] Soweit in diesem Artikel das generische Maskulinum verwendet wird, umfasst dies m/w/d Beschäftigte gleichermaßen; dies erfolgt allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit und hat keinen diskriminierenden Charakter.