Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) wird zum 1. Januar 2023 eingeführt.

Zum 1. Januar 2023 wird die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nunmehr verpflichtend eingeführt – jedoch nur für gesetzlich Versicherte. Was Arbeitgeber und Mitarbeitende ab dem neuen Jahr zu beachten haben, stellen wir Ihnen im Folgenden kurz da.

Die neue eAU im Überblick

Bisher bekamen Mitarbeitende bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) in dreifacher Ausfertigung in Papierform direkt vom behandelnden Arzt ausgestellt. Die Nachweispflicht lag bisher somit bei den Mitarbeitenden. Sie mussten je eine Ausfertigung der AU bei der Krankenkasse und beim Arbeitgeber einreichen.

Ab dem 1. Januar 2023 ändert sich dies gemäß § 5 Abs. 1a EFZG zumindest für gesetzlich Versicherte, die von einem Vertragsarzt behandelt werden. Die gesetzliche Pflicht zur Vorlage einer AU entfällt für diese und stattdessen sieht § 5 Abs. 1a EFZG nun eine Verpflichtung der Mitarbeitenden vor, die Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer ärztlich feststellen und sich hierzu eine ärztliche Bescheinigung aushändigen zu lassen. Die eAU hingegen muss der Arbeitgeber bei den Krankenkassen abrufen. Den arbeitsunfähigen Mitarbeitenden wird vom Arzt weiterhin eine AU in Papierform in einfacher Ausfertigung für die eigenen Unterlagen ausgestellt, welche sie bei Störfällen, also z.B. technischen Störungen in der Übermittlung auf elektronischem Wege, dem Arbeitgeber zum Nachweis vorlegen können.  

Für geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten und Mitarbeitende, die nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung sind sowie für den privatärztlichen Bereich gelten die bisherigen Bestimmungen hingegen auch über den 1. Januar 2023 hinaus weiterhin fort und es bleibt bei dem bisherigen Papierverfahren. Sie haben weiterhin dafür Sorge zu tragen, dass die AU dem Arbeitgeber und den Krankenkassen rechtzeitig vorgelegt wird, um ihrer Nachweispflicht nachzukommen.

Ab dem neuen Jahr sind Vertragsärzte verpflichtet, die AU maschinenlesbar, also elektronisch, aufzuzeichnen und direkt an die für die versicherte Person zuständige Krankenkasse zu übermitteln (vgl. § 295 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGB V). Die Krankenkassen haben sodann nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen und digital zur Verfügung zu stellen. Neu ist somit vor allem, dass Mitarbeitende die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr beim Arbeitgeber durch Vorlage einer AU nachweisen müssen, vielmehr ist nun der Arbeitgeber in der Pflicht, die eAU bei den zuständigen Krankenkassen einzusehen und abzurufen.

Die eAU wird zukünftig folgende Daten enthalten:

  • den Namen der arbeitsunfähigen Person,

  • Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit,

  • das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit,

  • die Kennzeichnung, als Erst- oder Folgebescheinigung

  • Angaben, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall oder auf den Folgen eines Arbeitsunfalls oder sonstigen Unfalls beruht.


Anhand der eAU wird zukünftig im Gegensatz zur AU in Papierform nicht mehr erkennbar sein, von welchem Arzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt wurde.

Zu beachten ist, dass für die Mitarbeitenden zwar die Nachweispflicht, also die Vorlagepflicht der AU beim Arbeitgeber, nicht jedoch die vorherige Anzeigepflicht gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG entfällt. Die Anzeigepflicht der Mitarbeitenden gegenüber dem Arbeitgeber bleibt vielmehr unverändert bestehen. Auch mit Einführung der eAU sind Mitarbeitende weiterhin verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich über die eigene Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer in Kenntnis zu setzen. Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Tage dauert, sind Mitarbeitende zudem verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen. Ist eine Verlängerung der eAU notwendig, sind die Mitarbeitenden verpflichtet, die weitere Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber anzuzeigen und durch den behandelnden Arzt die weiterhin vorliegende Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen, welcher eine Folgebescheinigung – ebenfalls als eAU – ausstellt.

Die verbleibende Anzeigepflicht in § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist ab Januar 2023 daher insofern von besonderer Bedeutung, als dass Arbeitgeber die eAU erst abrufen können und dürfen, wenn sie selbst Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit der Mitarbeitenden erlangt haben und somit zum Erhalt der Daten berechtigt sind.

Was gilt es zukünftig für Arbeitgeber zu beachten?

Sollten Mitarbeitenden länger als 3 Tage arbeitsunfähig sein, sind sie verpflichtet die Arbeitsunfähigkeit spätestens am darauffolgenden Tag ärztlich feststellen zu lassen. Arbeitgeber müssen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zukünftig direkt bei der jeweils zuständigen Krankenkasse abrufen, nachdem ihnen durch den jeweiligen Mitarbeitenden die Arbeitsunfähigkeit angezeigt wurde. Die entsprechenden HR-Abteilungen sollten sich also mit dem neuen System und den Abläufen vertraut machen bzw. die entsprechenden Prozesse überprüfen und anpassen.

Sollte der Arbeitgeber die eAU in einem Störfall – bei technischen Störungen beim Arzt, der Krankenkasse oder beim Arbeitgeber selbst – nicht abrufen können, so ist die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vom Mitarbeitenden durch die ihm ausgehändigte Bescheinigung in Papierform nachzuweisen.

Zu beachten ist vor allem, dass die bisherigen Bestimmungen für privat versicherte Mitarbeitende weiterhin fortgelten; sie haben dem Arbeitgeber die AU in Papierform vorzulegen und die Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen.

Arbeitgeber sind nach derzeitiger Rechtslage gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG berechtigt, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu verweigern, solange der Mitarbeitende die von ihm nach § 5 Abs. 1 EFZG vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt. Da diese Nachweispflicht am 1. Januar 2023 regelmäßig entfällt, kann ihnen gegenüber dieses Leistungsverweigerungsrecht nach richtiger Ansicht nicht mehr geltend gemacht werden. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die Verletzung der Feststellungspflicht wird aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 5 Abs. 1a EFZG wohl nicht möglich sein, zumal sie für die Mitarbeitenden, die nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des § 5 Abs 1 EFZG fallen, weiter gilt. Allerdings empfiehlt es sich, das Arbeitsentgelt für Tage, an denen Mitarbeitende fehlen, ohne dass dem Arbeitgeber hierfür ein Grund bekannt ist, nicht zu zahlen („ohne Arbeit kein Lohn“). Wird die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Nachhinein (elektronisch) zur Verfügung gestellt, kann das Arbeitsentgelt für den entsprechenden Zeitraum nachgezahlt werden.

Der Wegfall der bisherigen Verpflichtung zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit für gesetzlich Versicherte wird wohl auch gelten, wenn arbeits-, tarifvertraglich oder in Betriebsvereinbarungen andere Regelungen getroffen wurden, da § 12 EFZG besagt, dass nicht zuungunsten der Arbeitnehmenden von den gesetzlichen Regelungen abgewichen werden darf. Bestehende Verträge und Betriebsvereinbarungen sind im Zweifel im Lichte der neuen Gesetzeslage auszulegen. Es ist derzeit nicht davon auszugehen, dass Altverträge entsprechend angepasst werden müssen. Anders sieht es hingegen bei Musterarbeitsverträgen und Neuabschlüssen von Arbeits- sowie Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen aus – hier empfiehlt es sich, sogleich eine Überarbeitung und Anpassung an die neue Gesetzesänderung vorzunehmen.
 

Alina Jung
Rechtsanwältin







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