Vor der Corona-Pandemie ist „die Arbeitswelt 4.0“ bereits viel diskutiert worden. Seit Corona stecken wir plötzlich mittendrin und es entwickeln sich, schneller denn je, neue Arbeitsmodelle. Neben der oft pandemiebedingt eingeführten mobilen Arbeit ist nun auch das Desk Sharing in der neuen Arbeitswelt angekommen. Wobei es sich darum handelt und was Unternehmen bei der Einführung von Desk Sharing unter arbeitsrechtlichen Aspekten im Wesentlichen beachten müssen, erläutern wir in diesem Artikel.
Was ist Desk Sharing?
Desk Sharing ist, wie sich aus dem Englischen ergibt, ein Bürokonzept bei dem Schreibtische geteilt werden. In der Praxis müssen sich danach mehrere Arbeitnehmende, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Schreibtische, Arbeitsplätze teilen. Anders als gewohnt, hat der Arbeitnehmende dementsprechend keinen eigenen festen Arbeitsplatz mehr. Wichtiger Bestandteil des Konzeptes ist die sogenannte Clean Desk Policy, nach welcher sich keine persönlichen Gegenstände mehr am Arbeitsplatz befinden und die Schreibtische von den jeweiligen Arbeitnehmenden am Ende des Arbeitstages geräumt werden müssen. Damit einhergehend werden regelmäßig mit der Einführung von Desk Sharing abschließbare Schränke oder Rollcontainer bereitgestellt, in denen die persönlichen Gegenstände nach Arbeitsende verstaut werden können.
Die Vorteile des Desk Sharings sind offensichtlich. Verfügt jeder Arbeitnehmende über seinen eigenen, festen Schreibtisch, so hat dies vor allem in Kombination mit der mittlerweile häufig praktizierten mobilen Arbeit zur Folge, dass es zu regelmäßigen Leerständen und ungenutzten Arbeitsplätzen kommt. Die entsprechende Kostenbelastung bleibt jedoch auf Seiten des Arbeitgebers. Mit der Einführung von Desk Sharing geht insofern in der Regel eine Reduzierung von eingerichteten Büro-Arbeitsplätzen und gegebenenfalls die Abmietung von Büroflächen/Etagen einher. Desk Sharing kann insofern grundsätzlich dazu beitragen, unnötige Leerstände zu vermeiden sowie die Kosten und den Energieverbrauch zu reduzieren. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, neue Arbeitsmethoden einzuführen und modernere Bürokonzepte umzusetzen, die eine größere Interaktion und Kommunikation zwischen den Arbeitnehmenden ermöglichen.
Was ist bei der Einführung von Desk Sharing individualarbeitsrechtlich zu beachten?
Aufgrund des Weisungsrechts gem. § 106 GewO kann der Arbeitgeber bestimmen, welchen Arbeitnehmenden er welche Arbeitsmittel zur Verfügung stellt. Der Arbeitgeber kann daher frei über die Einführung von Desk Sharing entscheiden und seinen Arbeitnehmenden die Teilnahme am Desk Sharing zuweisen. Darüber hinaus kann er den Arbeitnehmenden anweisen, an Desk Sharing Buchungssystemen teilzunehmen oder sich einen Arbeitsplatz innerhalb eines ausgewiesenen Bereichs z.B. in einem Coworking Space einen Arbeitsplatz zu suchen. Ein Anspruch des Arbeitnehmenden auf einen bestimmten Arbeitsplatz oder bestimmte Arbeitsmittel zur alleinigen Verwendung besteht grundsätzlich nicht. In der Praxis empfiehlt es sich, die Einführung des Desk Sharing mit einer Vereinbarung zur mobilen Arbeit (vgl. zur mobilen Arbeit u.a.: New Work II) zu kombinieren.
Was ist bei der Einführung von Desk Sharing betriebsverfassungsrechtlich zu beachten?
Die grundlegende Entscheidung des Arbeitgebers über die Einführung von Desk Sharing unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Ob die Einführung von Desk Sharing jedoch eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG darstellt, hängt im Ergebnis von der konkreten Ausgestaltung im Einzelfall ab, ist streitig und nach derzeit herrschender Meinung im Regelfall richtigerweise zu verneinen. Das Bundesarbeitsgericht (Beschl. v. 17.11.2021, -7 ABR 18/20) stellte in in einem obiter dictum fest, dass der Umstand, dass die Arbeitnehmenden vor Beginn ihrer Tätigkeit einen freien Schreibtisch wählen, sowie ihre individuellen Arbeitsmittel aus dem verschließbaren Wertschrank entnehmen und an den Schreibtisch bringen müssen, weder deren Aufgabe und Verantwortung noch die Art ihrer Tätigkeit und ihre Einordnung in den betrieblichen Arbeitsablauf betreffe. Von einer grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation und der Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden i.S.d. § 111 BetrVG wird nur dann auszugehen sein, wenn wesentliche Teile der verbleibenden Betriebsräume völlig neugestaltet werden müssen und eine Neustrukturierung des Arbeitsablaufs und der Arbeitsorganisation erforderlich ist; wobei dies sich nach den Verhältnissen im einzelnen Betrieb und den betroffenen Betriebsanlagen richtet (vgl. ArbG Frankfurt, Beschl. v. 08.01.2003, – 2 BVGa 587/02). Darüber hinaus stellt die Teilnahme am Desk Sharing regelmäßig auch keine Versetzung i.S.d. §§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG dar. Die Aufgabe des Schreibtisches und die tägliche Suche eines Arbeitsplatzes verändert nicht das Gesamtbild der Tätigkeit.
Gleichwohl sind bei der Einführung von Desk Sharing-Modellen eine Vielzahl von Beteiligungsrechten des Betriebsrats zu berücksichtigen. Es besteht zwar kein Initiativrecht des Betriebsrats, dieser kann jedoch gemäß § 92a BetrVG Vorschläge unterbreiten. Dies ist bereits in der Planungsphase zu beachten, da der Betriebsrat einen Unterrichtungs- und Beratungsanspruch hat. Daher ist es wichtig, den Betriebsrat über die Einführung von Desk Sharing nach § 90 BetrVG schon vor dem Abschluss der Planungen zu informieren.
Welche genauen Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte der Betriebsrat hat, ist je nach Ausgestaltung des Konzepts unterschiedlich. Gelegentlich machen Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht gem. § 91 BetrVG geltend. Es dürfte jedoch nur in absoluten Einzelfällen eingreifen, da hierfür Voraussetzung ist, dass das geplante Konzept den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widerspricht. Für die Praxis überaus relevant ist die Regelung des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Diese räumt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht ein, soweit es um Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmenden geht; im Zusammenhang mit der Einführung von Desk Sharing bedeutet dies konkret, wenn Maßnahmen zum Ordnungsverhalten getroffen werden. Zur genauen Beurteilung, ob eine solche Maßnahme vorliegt, ist eine Abgrenzung zu mitbestimmungsfreien Weisungen zum Arbeitsverhalten erforderlich. Das LAG Düsseldorf (Beschl. v. 09.01.2018, – 3 TaBVGa 6/17) hat entschieden, dass die Weisung an den Arbeitnehmenden, sich einen Arbeitsplatz zu suchen, dem Arbeitsverhalten zuzuordnen ist und damit nicht der Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterfällt. Auch die Weisung, den Arbeitsplatz aufzuräumen, ist nach allerdings streitiger Ansicht dem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten zuzuordnen. Sofern – wie nicht selten – im Zusammenhang mit Desk Sharing technische Einrichtungen eingeführt werden wie z.B. Buchungssysteme oder Systeme zur Belegmessung, ist das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG zu beachten. Bei Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie zum Gesundheitsschutz getroffen werden, liegt regelmäßig ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG vor. Da die Einführung von Desk Sharing als solche jedoch nicht als Maßnahme des Gesundheitsschutzes anzusehen ist, scheidet nach richtiger Ansicht eine Mitbestimmung aus.
fellaws Fazit
Im Ergebnis stellen Desk Sharing Konzepte für Arbeitgeber eine interessante Möglichkeit der Kosteneinsparung dar. Bei Unternehmen mit Betriebsrat sind unter Berücksichtigung der jeweiligen Ausgestaltung des betrieblichen Desk Sharing Konzeptes jeweils die konkreten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu prüfen und entsprechend zu beachten. Es empfiehlt sich, den Betriebsrat frühzeitig einzubinden und die Einzelheiten des Desk Sharings regelmäßig in einer Betriebsvereinbarung niederzulegen.
Amanda Hermann
Assessorin
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