Hinweisgeberschutzgesetz wird 2023 in Kraft treten – Handlungsbedarf für Unternehmen
Der Bundestag hat am 16. Dezember 2022 das nun schon seit geraumer Zeit überfällige nationale Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG) beschlossen. Das HinSchG muss nunmehr noch den Bundesrat passieren. Es ist zu vermuten, dass der Bundesrat das Thema in seiner nächsten Plenarsitzung am 10. Februar 2023 behandeln wird. Da das HinSchG ausweislich des Gesetzesentwurfs drei Monate nach der Verkündung in Kraft treten wird, ist damit zu rechnen, dass dies Mitte bis Ende Mai 2023 wohl der Fall sein wird. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt es für Unternehmen, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um nicht mit Inkrafttreten des Gesetzes der Gefahr von etwaigen Bußgeldern ausgesetzt zu sein.
Wer vom Anwendungsbereich des HinSchG betroffen ist, welchen Handlungsbedarf bzw. was es zu beachten gibt und welche Risiken drohen, wird im Folgenden näher dargestellt.
Was ist geregelt/Was ist zu tun?
Beschäftigte, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Gesetzesverstöße erlangen können, sollen mit dem HinSchG ein sicheres Verfahren zur Verfügung gestellt bekommen, mittels dessen sie auf Missstände aufmerksam machen können, ohne dem Risiko von Repressalien ausgesetzt zu sein. Es dient aber auch dazu, Unternehmen und Beschäftigte vor missbräuchlichen Meldungen zu schützen.
In erster Linie schützt das HinSchG sog. „Whistleblower“ und basiert auf der Whistleblower-Richtlinie der Europäischen Union. Im Wesentlichen beinhaltet das Gesetz vier Säulen, welche zukünftig von außerordentlicher Relevanz sind:
- Errichtung einer internen Meldestelle,
- Errichtung einer externen Meldestelle,
- Obliegenheit zur schnellen Aufklärung der gemeldeten Sachverhalte,
- Repressalienverbot/Schutz des Whistleblowers.
Für Unternehmen am relevantesten ist wohl die vorgeschriebene Einrichtung einer internen Meldestelle. So haben Unternehmen gemäß § 12 Abs. 1 HinSchG dafür zu sorgen, dass bei ihnen mindestens eine Stelle für interne Meldungen eingerichtet ist und betrieben wird, an die sich Beschäftigte wenden können. Whistleblower müssen die Möglichkeit bekommen, Hinweise mündlich, schriftlich oder auch persönlich abzugeben, wobei zu beachten ist, dass diese interne Meldestelle nach dem nunmehr beschlossenen Entwurf auch anonyme Meldungen ermöglichen muss.
Die „interne“ Meldestelle kann allerdings auch outgesourct und an einen Dritten vergeben werden, sodass nicht zwingend unternehmensinterne Ressourcen hierfür zu verwenden sind.
Wird ein Hinweis/eine Meldung von einem Whistleblower abgegeben, muss die interne Meldestelle gemäß § 17 Abs. 1 HinSchG dem Whistleblower/Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen den Eingang der Meldung bestätigen. Es schließt sich sodann das sog. Prüfungsverfahren an, wonach der Hinweis einer entsprechenden Prüfung und Untersuchung unterzogen werden muss, wenn dieser in den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG fällt.
Innerhalb von drei Monaten nach der Bestätigung des Eingangs muss der Hinweisgeber eine Rückmeldung erhalten und insbesondere mitgeteilt werden, welche Folgemaßnahmen bereits getroffen wurden oder getroffen werden (§ 17 Abs. 2 HinSchG).
Wichtig ist außerdem, die in § 36 Abs. 2 HinSchG geregelte Beweislastumkehr zum Schutz des Whistleblowers vor Repressalien, z.B. zum Schutz vor einer etwaigen Kündigung oder auch anderen arbeitsrechtlichen Maßnahmen. Wird bspw. gegenüber einer hinweisgebenden Person nach einer Meldung die Kündigung ausgesprochen oder erfährt diese eine anderweitige Benachteiligung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, so wird danach vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist, und es muss seitens des Unternehmens bewiesen werden, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte und nicht die Meldung selbst hierfür Ursache ist.
Gleichzeitig kann es auch zu Schadensersatzansprüchen des Whistleblowers selbst aufgrund von Repressalien kommen, sodass hier höchste Vorsicht von Unternehmensseite geboten ist. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der schlussendlich beschlossene Gesetzesentwurf auch den Ersatz eines immateriellen Schadens vorsieht, also eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist („Schmerzensgeld“).
Für Unternehmen eine eher untergeordnete Rolle dürfte hingegen die Tatsache spielen, dass der Bund gleichzeitig auch eine externe Meldestelle zu errichten hat, die gleichwertig mit der internen Meldestelle agiert und dem jeweiligen Whistleblower die Wahlmöglichkeit lässt, ob er die Meldung bzw. den Hinweis intern oder extern abgibt.
Wer ist betroffen?
Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern sind dazu verpflichtet, die oben genannte interne Meldestelle zu errichten und zu betreiben. Hierbei wird hinsichtlich des Zeitpunktes der Umsetzung wie folgt differenziert:
- für Unternehmen zwischen 50-249 Mitarbeitern muss eine interne Meldestelle erst ab dem 17. Dezember 2023 eingerichtet werden, sodass hier ein etwas längerer Umsetzungszeitraum besteht.
- für Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeitern besteht mit Inkrafttreten des Gesetzes die sofortige Pflicht zur Umsetzung, sodass diese Unternehmen zwingend die Verkündung des Gesetzes und das damit zusammenhängende Inkrafttreten nach drei Monaten im Blick behalten müssen.
Nichtsdestotrotz müssen insbesondere vor dem Hintergrund der oben angesprochenen Beweislastumkehr und dem bestehenden Risiko eines Schadensersatzanspruchs des Hinweisgebers auch Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern die Vorschriften des HinSchG beachten, insbesondere wenn in irgendeiner Form, sei es über externe Meldestellen, den Hinweisgeber selbst oder Dritte bekannt wird, dass eine relevante Meldung bzw. ein relevanter Hinweis nach dem HinSchG abgegeben wurde.
Unter anderem Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Datenbereitstellungsdienste i.S.d. § 2 Abs. 10 Wertpapierhandelsgesetz, Börsenträger und Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute müssen zudem gemäß § 12 Abs. 3 HinSchG unabhängig von der Anzahl ihrer Beschäftigten eine interne Meldestelle errichten.
Handlungsempfehlungen
Entsprechende Vorbereitungen sollten spätestens jetzt getroffen werden, um rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Fristen die interne Meldestelle eingerichtet zu haben und einen entsprechenden Betrieb auch gewährleisten zu können. Es steht zu erwarten, dass keine wesentlichen Änderungen des HinSchG mehr kommen werden, da es in den wesentlichen Punkten eine Umsetzung der europäischen Whistleblower-Richtlinie beinhaltet.
Unternehmen mit Betriebsrat haben dabei vor Einrichtung einer entsprechenden internen Meldestelle zwingend die Beteiligungsrechte des Betriebsrates zu beachten. Hier ist zunächst der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG grundsätzlich über die geplante Einführung einer internen Meldestelle zu unterrichten. Dem Betriebsrat steht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zudem ein Beteiligungsrecht zu. Dies betrifft aufgrund der gesetzlichen Pflicht zur Einführung einer internen Meldestelle nicht die Einrichtung selbst, sondern die konkrete Ausgestaltung der internen Meldestelle und des einzuhaltenden Verfahrens. Ein zwingendes Mitbestimmungsrecht kann sich bei der Einführung einer online basierten internen Meldestelle zudem aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ergeben, da dies eine technische Einrichtung darstellt, die zumindest dazu geeignet ist, das Verhalten der Arbeitnehmer zu überwachen. Zu beachten ist zudem, dass ggf. auch der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat das zuständige Gremium sein kann, wenn es im Unternehmen mehrere Betriebe gibt oder ein Konzernsachverhalt vorliegt.
In Konzernen besteht zudem von Gesetzes wegen die Möglichkeit, eine einzige konzernweite Meldestelle einzurichten, was regelmäßig Ressourcen und Kosten sparen wird.
Abschließend ist auf die Bußgeldvorschriften in § 40 HinSchG hinzuweisen. So droht bei dem Unterlassen der Einrichtung und/oder Betrieb einer internen Meldestelle ein Bußgeld von bis zu 20.000 EUR und bei dem Ergreifen einer Repressalie sogar ein Bußgeld von bis zu 100.000 EUR.
Linus Grund
Rechtsanwalt
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