Mindestlohn, geringfügige Beschäftigung/Minijob


Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze auf 520 Euro und Erhöhung Mindestlohn auf 12 Euro ab 1. Oktober 2022 – Anpassungsbedarf bei Arbeitsverträgen

Der Deutsche Bundestag hat am 3. Juni 2022 dem Gesetzesentwurf zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zugestimmt. Er geht auf eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag zurück und wird am 1. Oktober 2022 in Kraft treten. Wie sich die Erhöhung konkret auswirkt, wer von ihr profitiert und was Unternehmen hierbei zu beachten haben, erfahren Sie in diesem Beitrag.


Erhöhung Mindestlohn

Zum 1. Oktober 2022 steigt der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 10,45 Euro brutto pro Stunde auf 12,00 Euro brutto pro Stunde.

Laut des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wirkt sich die Erhöhung des Mindestlohns auf rund 22 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse aus. Das sind etwa doppelt so viele, wie bei der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015. Mehr als sechs Millionen Menschen werden von der Erhöhung profitieren, insbesondere arbeitende Frauen und Mitarbeitende in Ostdeutschland. Die Erhöhung wirkt sich zudem für Mitarbeitende in Mini- und Teilzeitjobs sowie Neueinsteigende aus.


Geringfügig Beschäftigte – dynamische Entwicklung

Die Anhebung des Mindestlohns hat insbesondere auch Auswirkungen auf geringfügig Beschäftigte, die sog. Minijobs. Bisher war die Grenze für geringfügig Beschäftigte auf starre 450 Euro pro Monat festgesetzt, das entsprach meist einer Arbeitszeit von 10 Stunden in der Woche. Aufgrund der Erhöhung des Mindestlohns auf 10,45 Euro zum 1. Juli 2022 mussten Mitarbeitende auf 450-Euro-Basis oftmals ihre wöchentliche Arbeitszeit verringern, um die 450-Euro-Grenze nicht zu übersteigen.

Dies nahm die Regierung zum Anlass, die gesetzliche Grenze für geringfügig Beschäftigte zu überdenken und statt der bisherigen starren 450-Euro-Gehaltsgrenze für diese Mitarbeitenden eine dynamische Anpassung an den Mindestlohn einzuführen. Um weiterhin eine Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zu gewährleisten, wird mit dem Gesetz gleichermaßen die Minijob-Grenze ab dem 1. Oktober 2022 auf 520 Euro pro Monat erhöht. Diese Erhöhung entspricht – bei Einhaltung des Mindestlohns von 12 Euro – somit rund 43 Arbeitsstunden im Monat. Zukünftige Mindestlohnerhöhungen werden sich durch die Gesetzesanpassung und die Einführung einer dynamischen Grenze, welche sich an den Arbeitsstunden zu Mindestlohnbedingungen orientiert, für geringfügig Beschäftigte direkt auf die Höchstgrenze auswirken.

Grundsätzlich gilt, dass der durchschnittliche Monatsverdienst von demnächst 520 Euro nicht überschritten werden darf. Ausnahmsweise wird aber zweimal im Jahr eine Überschreitung von nicht mehr als dem Doppelten der Minijob-Grenze möglich sein, sofern die Überschreitung der Arbeitszeit unvorhersehbar war, um zum Beispiel den krankheitsbedingten Ausfall anderer Mitarbeitenden auszugleichen. Somit können Geringverdienende in einem Jahr maximal 7.280,00 Euro statt der grundsätzlichen 6.240,00 Euro verdienen (10 x 520 + 2 x 1.040 Euro).


Leichterer Übergang zum Midijob

Die Bundesregierung trifft mit dem Gesetz zudem Maßnahmen, die die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung fördern und gleichzeitig dem Missbrauch von Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse ein Ende bereiten sollen. Vor diesem Hintergrund und damit sich die Mehrarbeit für die Mitarbeitenden lohnt, wird die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich (Midijob) von monatlich 1.300 Euro auf 1.600 Euro angehoben. Auf diese Weise werden sozialversicherungspflichtige Mitarbeitende mit geringem Arbeitsentgelt stärker entlastet als bisher. Der Belastungssprung beim Übergang aus einer geringfügigen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird verbessert. Der Gesetzgeber will somit Anreize für Mitarbeitende schaffen, über einen Minijob hinaus stärker erwerbstätig zu sein. Auch wird der Arbeitgeberbeitrag oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze zunächst auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge von 28 Prozent angeglichen und gleitend auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag angepasst.


Übergangsvorschriften

Mitarbeitende, die am 30. September 2022 einer Beschäftigung nachgehen, die über der bis dahin gültigen 450-Euro-Grenze und unter der zukünftig geltende 520-Euro-Grenze liegt, bleiben trotz der Erhöhung der Grenze vorerst bis zum 31. Dezember 2023 als sogenannte Midijobber oder -jobberin versicherungspflichtig, solange das Arbeitsentgelt 450 Euro monatlich übersteigt. Sie können jedoch auf Antrag, welcher bei der Agentur für Arbeit zu stellen ist, von der Versicherungspflicht befreit werden. Die Befreiung wirkt im Zweifel auch rückwirkend vom 1. Oktober 2022, wenn der Antrag bis zum 31. Dezember dieses Jahres gestellt wird. Im Übrigen von dem Beginn des Kalendermonats, der auf den Kalendermonat folgt, in dem der Antrag gestellt wurde.


Anpassungsbedarf bei Arbeitsverträgen geringfügig Beschäftigter

Zur Wahrung der Geringfügigkeitsgrenze und des Mindestlohnes empfiehlt es sich daher, die durch deren jeweilige Anhebung bedingten Änderungen zur Vergütung und ggf. zur Arbeitszeit mit den bereits auf 450-Euro-Basis geringfügig Beschäftigten in einer Änderungsvereinbarung zum bestehenden Arbeitsvertrag und mit künftig neu einzustellenden geringfügig Beschäftigten sogleich in einem angepassten Arbeitsvertrag zu vereinbaren.

Dabei sollten sich die neuen vertraglichen Regelungen nicht mehr an einem „festen“ Monatsgehalt orientieren, sondern vielmehr an der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und einem dynamischen Verweis auf die jeweilige gesetzliche Regelung. Mit Blick auf die Wahrung der Geringfügigkeitsgrenze sollte die regelmäßige Arbeitszeit daher max. 10 Wochenstunden betragen und hinsichtlich des Monatsgehaltes sollte neben der derzeit aktuellen Höhe eine dynamische Gehaltsanpassungsregelung an die jeweils gültige Geringfügigkeitsgrenze vereinbart werden. Bei Vereinbarung einer Arbeitszeit von weniger als 10 Wochenstunden empfiehlt es sich, neben dem derzeitigen Monatsgehalt/Stundenlohn eine dynamische Anpassungsregelung an den jeweils gültigen Mindestlohn zu vereinbaren. Durch diese Vertragsgestaltungen können bei geringfügig Beschäftigten die künftigen Erhöhungen des Mindestlohns bereits miteinbezogen werden, ohne dass es künftig weiterer Vertragsanpassungen bedarf.


fellaws Hinweis

Unternehmen, die derzeit Mitarbeitende unter der neuen Mindestlohngrenze oder Minijobber und Minijobberinnen beschäftigen, sollten zeitnah die entsprechenden Arbeitsverträge überprüfen und gegebenenfalls anpassen.

Die Regierung hat bereits angekündigt, dass Verstöße zukünftig stärker verfolgt werden sollen als in der Vergangenheit. Arbeitgebern, die ihren Mitarbeitenden weniger als den gesetzlichen Mindestlohn zahlen, drohen Bußgelder von bis zu 5.000 Euro. Aus diesem Grund kann Arbeitgebern nur geraten werden, schnell zu handeln und eventuelle Vertragsanpassungen direkt zum 1. Oktober 2022 umzusetzen.


Alina Jung
Rechtsanwältin

Amanda Hermann
Rechtsreferendarin




Bildquelle: Bild von Freepik

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